Kurzsichtigkeit (Myopie) ist weltweit sehr verbreitet. In der Schweiz sind ca. 35 Prozent der erwachsenen Bevölkerung kurzsichtig, in Asien sogar bis ca. 90 Prozent. Der Grund für eine Kurzsichtigkeit liegt bei Kindern und Jugendlichen fast immer in einer zunehmenden Augapfellänge. Hierdurch verschiebt sich der Fokuspunkt im Auge vor die Netzhaut und die Betroffenen sehen in die Ferne unscharf, während die Sehschärfe die Nähe dagegen sehr gut bleibt.
Der Beginn einer Kurzsichtigkeit und der Verlauf ist individuell unterschiedlich. Besteht eine entsprechende Veranlagung, beginnt eine Myopie in der Regel zwischen dem 8. und dem 13. Lebensjahr und nimmt dann unbehandelt meist über einige Jahre hin zu, bis sie sich stabilisiert. Aber auch ein früherer oder späterer Beginn einer Myopie ist möglich und nicht selten. Ein zu langer Augapfel ist ein Risikofaktor für Veränderungen am Augenhintergrund, insbesondere für Netzhauterkrankungen.
Bei der Entstehung einer Kurzsichtigkeit spielen die genetische Veranlagung und Umweltfaktoren eine wichtige Rolle. Kinder von kurzsichtigen Eltern haben ein deutlich höheres Risiko, eine Myopie zu entwickeln, als Kinder normalsichtiger Eltern. Untersuchungen ergaben, dass das natürliche Tageslicht im Freien sehr wichtig für die Entwicklung und insbesondere für die Regulation des Augenlängenwachstums ist. Kinder, die sich zwei bis drei Stunden im Freien aufhalten, sind deutlich weniger gefährdet, eine Myopie zu entwickeln, als Kinder, die sich weniger als zwei Stunden im Freien aufhalten. Eine gute, möglichst helle und indirekte Beleuchtung und ein ausreichender Arbeitsabstand beim Lesen sowie bei anderen Naharbeiten ist sehr wichtig. Zudem sollten bei längerem Lesen immer wieder kurze Pausen eingelegt werden, in denen das Auge die Möglichkeit hat, in die Ferne zu schauen, um sich zu entspannen.
Eine fortschreitende Kurzsichtigkeit erhöht das Risiko für Augenerkrankungen, insbesondere für Veränderungen des Augenhintergrundes, der sogenannten Netzhaut. Das Risiko für Netzhautrisse und eine Netzhautablösung steigt mit zunehmender Kurzsichtigkeit. Hinzu kommt, dass bei hoher Kurzsichtigkeit auch ein bequemes Lesen aufgrund des kurzen Augenabstand zum Lesetext oft nicht mehr möglich ist. Vor allem eine Myopie von über 5 Dioptrien sollte daher verhindert werden. Eine sehr hohe Kurzsichtigkeit von über 10 Dioptrien ist selten. Ab diesem Bereich liegen dann meist bereits deutliche Veränderungen des Augenhintergrunds vor und das Lebenszeit-Risiko für eine Netzhautablösung ist stark erhöht.
Seit den letzten 10 Jahren stehen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung, um das Fortschreiten einer Kurzsichtigkeit und ein übermässiges Augenlängenwachstum möglichst zu bremsen. Das moderne Myopie-Management beinhaltet optische Methoden wie Multisegment-Brillengläser oder spezielle Kontaktlinsen sowie einen medikamentösen Ansatz mit stark verdünnten Atropin-Augentropfen. Das Myopie-Management wird für jeden Patienten individuell angepasst und der Erfolg durch regelmässige augenärztliche Untersuchungen gemessen.
Eine Kurzsichtigkeit sollte möglichst in vollem Umfang korrigiert werden. Bei nur geringer Kurzsichtigkeit und einer ersten Brille bietet sich hierfür ein herkömmliches Brillenglas an. Ob die Myopie im Verlauf noch zunimmt oder stabil bleibt, ist individuell sehr unterschiedlich. Bei vielen Kindern und Jugendlichen schreitet die Kurzsichtigkeit jedoch über einige Jahre fort und die Augapfellänge nimmt in diesem Zeitraum kontinuierlich zu. Seit Mai 2021 stehen in der Schweiz sogenannte Multisegment-Brillengläser zur Verfügung. Die Multisegment-Brillengläser beruhen auf dem Prinzip des “peripheren Defokus”. Die Kinder und Jugendlichen schauen durch eine zentrale Durchblickszone, die von vielen sehr kleinen Plus-Linsen umgeben ist. Hierdurch soll der Anreiz auf die Augen, übermässig lang zu werden, gebremst werden. Die Brillengläser sehen äusserlich aus wie normale Gläser und für die Kinder gibt es kaum eine Umgewöhnung im Vergleich zu herkömmlichen Brillengläsern.
Seit den letzten Jahren wird bei fortschreitender Kurzsichtigkeit die Gabe von Atropin 0.01% Augentropfen empfohlen. Bevor die sogenannten Multisegment-Brillengläser im Frühling 2021 auf den Markt kamen, waren die Atropin-Augentropfen, neben herkömmlichen Brillengläsern mit einer vollen Myopie-Korrektur, und sogenannten Myopie-Control-Kontaktlinsen, die einzige Möglichkeit eine fortschreitende Kurzsichtigkeit zusätzlich zu bremsen. Die wissenschaftlichen Grundlagen stammen hierfür ursprünglich aus Asien, wo es sehr viele kurzsichtige Kinder und Jugendliche gibt. Mittlerweile sind jedoch auch europäische Studienergebnisse über die bremsende Wirkung von Atropin 0.01%-Augentropfen auf die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit verfügbar. Atropin ist als Wirkstoff schon seit vielen Jahrzehnten in der Augenheilkunde bekannt und wird in höherer Dosierung zur Pupillenerweiterung eingesetzt. Die sehr tiefe Dosierung der Atropin 0.01%-Augentropfen wird in aller Regel sehr gut von den Kindern vertragen und hat in der Regel keinen Einfluss auf die Sehschärfe in der Nähe und verursacht keine Blendung durch eine erweiterte Pupille.
Für das Myopie-Management mit Kontaktlinsen stehen weiche multifokale Kontaktlinsen oder sogenannte “Nachtlinsen”, die individuell angefertigt werden (Orthokeratologie), zur Verfügung. Nachtlinsen weisen dabei gemäss den bisherigen wissenschaftlichen Studien eine ähnlich gute Wirksamkeit gegen eine fortschreitende Kurzsichtigkeit auf, wie die Atropin 0.01%-Augentropfen. Weiche Multifokale Kontaktlinsen weisen gemäss aktueller Studienlage dagegen eine geringere Wirksamkeit auf. Bei allen Kontaktlinsen besteht ein grundsätzliches Risiko einer Entzündung oder Infektion der Augenoberfläche mit möglicher Narbenbildung, was man gegen den Nutzen abwägen sollte. Um das Risiko zu minimieren, ist ein sehr sorgfältiger Umgang mit den Kontaktlinsen und eine strenge Einhaltung von Hygiene-Massnahmen nötig. Insbesondere bei Kindern kommen daher meistens Brillengläser zum Einsatz, da diese die genannten Risiken nicht bergen.
Eine Kurzsichtigkeit verläuft sehr individuell. Ebenso sind die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen sehr unterschiedlich. Gerne beraten wir Sie und Ihr Kind ausführlich und finden gemeinsam das für Ihr Kind optimale Myopie-Management.
Gerne vereinbaren wir mit Ihnen einen Termin, der Ihnen zeitlich gut passt.
In Notfällen (insbesondere bei: plötzlicher Sehminderung, akuten Schmerzen oder Entzündung der Augen, neuem Schielen, Unfällen) rufen Sie uns bitte an, damit wir Ihnen eine zeitnahen Termin geben können.